Die Natur im Ausnahmezustand
Von Naturkatastrophen ist die Rede, wenn ein Wetterereignis Leben bedroht und Natur, Gebäude und Infrastruktur zerstört. Auslöser können zum Beispiel Erdbeben, Orkane, Starkregen, Lawinen oder Waldbrände sein. Die Klimaveränderungen wirken sich auf die Atmosphäre des Planeten Erde aus und begünstigen Stürme, Starkniederschläge, Hagelereignisse, Blitzschläge und Temperaturextreme. In der Folge nehmen auch Sturmfluten und Hochwasser zu.
Welche Bedrohungslage bergen Naturkatastrophen?
Über Extremwetterereignissen lag schon immer eine gewisse Unvorhersehbarkeit. Expertinnen und Experten in Klimafragen warnen seit langem vor einer Zunahme solcher Phänomene. Damit steigen die diffuse Bedrohungslage und der Bedarf an Vorsorge und Frühwarnsystemen.
Das Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV) der Ruhr-Universität Bochum veröffentlicht jährlich einen Weltrisikobericht für extreme Naturereignisse. Darin wird das Risiko aller Länder anhand ihrer „Gefährdung“ (Exposition gegenüber Naturgefahren) und „Vulnerabilität“ (Kapazitäten zur Verringerung negativer Auswirkungen oder Anpassungsfähigkeit) angegeben. Für Deutschland wird das Risiko als „sehr gering“ eingestuft: Unsere Exposition liegt bei 11,51% und unsere Vulnerabilität bei 23,12 %. Zum Vergleich: Der südpazifische Inselstaat Vanuatu weist mit 47,73% die höchste Gefährdungslage auf (Exposition 82,55%, Vulnerabilität 57,82%). Die südliche Erdhalbkugel ist generell häufiger und stärker von Naturkatastrophen betroffen.
Mögliche Naturkatastrophen in Deutschland
Es gibt eine ganze Reihe möglicher Ereignisse, die auch bei uns verheerende Auswirkungen entfalten können. Bei manchen ist das Risiko marginal, andere haben wir bereits häufig erlebt. Dieser Überblick verschafft einen Eindruck unserer Gefährdungslage in Deutschland:
- Erdbeben: Die Erdkruste besteht aus Platten, die ständig in Bewegung sind. Wird der Druck zwischen zwei Kontinentalplatten zu groß, bricht die Erdkruste und es kommt zu einem spürbaren Erdbeben. Deutschland liegt auf der Eurasischen Erdplatte und erlebt relativ selten Erdbeben. Die gefährdetsten Gebiete befinden sich bei Köln, Tübingen und Gera sowie in der Schwäbischen Alb und dem südlichen Rheingraben.
- Vulkanausbrüche: Die Vulkaneifel ist Messungen zufolge nach wie vor aktiv und es besteht die Möglichkeit, dass es erneut zu Eruptionen kommt. Zumindest sind leichte Bodenbewegungen messbar, eine akute Gefahr sehen Forschende jedoch derzeit nicht.
- Stürme, Orkane und Tornados: Windstärken zwischen 9 und 11 auf der Beaufortskala werden als Sturm bezeichnet, Versicherungsschutz besteht bereits ab Windstärke 8. Ab 12 handelt es sich um einen Orkan. Entsteht ein Luftwirbel mit senkrechter Drehachse, ist es ein Tornado. Hauptsturmsaison ist bei uns die Herbst- und Winterzeit. An Nord- und Ostsee ist das Risiko etwas höher als im übrigen Land, generell ist jedoch eine kontinuierliche Zunahme von Sturmereignissen seit den 1970er Jahren zu beobachten.
- Starkregen und Hagel: Ab einer Regenmenge von 15-25 l/m² in sechs Stunden gibt der Deutsche Wetterdienst eine Wetterwarnung heraus, die höchste Warnstufe vor extremem Unwetter ist ab 40 l/m² in einer Stunde oder 60 l/m² in sechs Stunden erreicht. Die Auswirkungen hängen von der Umgebung ab und reichen von vollgelaufenen Kellern, Straßen oder Unterführungen bis hin zu Überflutungen, Rückstau und Erdrutsch. Ausgetrocknete Böden und versiegelte Flächen verstärken die Auswirkungen, da die Wassermassen nicht einfach vom Boden aufgenommen werden können. Hagelkörner entstehen in den unteren Schichten von Gewitterwolken und häufiger in Gebirgsregionen. Ab einem Durchmesser von 1,5 cm warnt der Deutsche Wetterdienst. Die Hagelhochsaison liegt bei uns zwischen Mai und August.
- Lawinen und Erdrutsch: Die Gefahr für Lawinen finden wir in Deutschland vor allem in den Alpen und im Schwarzwald. Skifahrende sollten Warnungen vor Ort ernst nehmen, denn für die erfolgreiche Rettung nach einem Lawinenunglück bleiben nur etwa 15 Minuten Zeit. Es gibt fünf Warnstufen, wobei sich die meisten Unglücke bereits bei Stufe drei ereignen. Bei einem Erdrutsch gleiten Erd- und Gesteinsmassen Berge oder Hänge herab, meist infolge von Starkregenereignissen. Sowohl für Lawinen als auch für Erdrutsche steigt die Gefahr durch die Abholzung von Waldflächen.
- Gewitter und Blitzeinschläge: Aufsteigende, warme Luftmassen sind ursächlich für die Entstehung eines Gewitters. Im Flachland lässt sich das heraufziehende Gewitter an bedrohlich dunklen Wolken früh erkennen. In den Bergen entsteht es oft „wie aus heiterem Himmel“. Durch den starken Aufwind innerhalb der Gewitterwolke erfolgt der Niederschlag mit etwas Verspätung und mit besonders dicken, kalten Tropfen oder sogar Hagelkörnern. Bei sehr trockenen Luftmassen kann auch ein Gewitter ohne Niederschlag und umso größerer Waldbrandgefahr entstehen. Die Polarluft hingegen macht auch Wintergewitter möglich. Blitzeinschläge sind durch die weite Verbreitung von Blitzableitern heutzutage seltener geworden.
- Temperaturextreme: 2017 bis 2020 waren die bisher heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnung im Jahr 1881. In Deutschland kam es sogar häufiger zu Temperaturen von über 40 Grad. Von der Hitze gehen gesundheitliche Gefahren für den Menschen aus und in der Natur kommt es zu Zeitverschiebungen. Ausgetrocknete Böden und Dürre verderben die Ernte und erleichtern die Entstehung von Bränden. Klimaforschende nehmen an, dass mit zunehmenden Temperaturen auch die Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen steigt. Der Kälterekord von etwa Minus 37 Grad aus dem Jahr 1929 wurde bisher zwar nicht getoppt, die letzte Kältewelle hatte Deutschland jedoch Anfang 2021 fest im Griff.
- Waldbrände: Dürreperioden und der Borkenkäfer haben auch in Deutschland zur Erhöhung der Waldbrandgefahr geführt. Die Brandlast abgestorbener Bäume ist immens höher als die der Lebenden. Brandauslöser ist dann jedoch der Mensch: unachtsam weggeworfene Zigaretten, unerlaubtes Grillen oder heiße Motoren von geparkten PKWs sind nur ein paar Beispiele für Brandursachen. Der Deutsche Wetterdienst gibt Waldbrandgefahrstufen heraus, die höchsten verzeichneten zuletzt Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.
So richtig vorhersagen lassen sich die Wahrscheinlichkeiten, mit denen diese Extremereignisse eintreten, nicht. Wetterunabhängige Katastrophen sind erst recht nicht vorhersehbar. Eine umso größere Rolle haben der Katastrophenschutz und frühzeitige Warnsysteme.
Katastrophenschutz in Deutschland
Die zentrale Zuständigkeit für nationale Großschadenereignisse hat in Deutschland das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Der praktische Katastrophenschutz im Ernstfall wird über die betroffene Kommune geregelt. Wird diese nicht allein mit dem Krisenmanagement fertig, kommt Hilfe aus den nächsthöheren Verwaltungsregionen. Mitunter wird ein überregionaler Krisenstab erforderlich, der die Einsatzkräfte aus Feuerwehr, Rettungsdienst oder Technischem Hilfswerk koordiniert. Ruft die Stadt oder der Kreis den Katastrophenfall aus, dann wird der Katastrophenschutz des Bundes aktiv. Bei Bedarf kommen nun auch Bundeswehr und Bundespolizei zum Einsatz.
Ein großer Teil des Katastrophenschutzes in Deutschland stützt sich auf die Mitwirkung ehrenamtlicher Kräfte. Über 100 Berufsfeuerwehren in Deutschland stehen mehr als 22.000 Freiwillige Feuerwehren gegenüber. Auch beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), dem Malteser Hilfsdienst, der Johanniter-Unfall-Hilfe und mehr sind vor allem freiwillige Helferinnen und Helfer aktiv.
Und wer warnt uns im Katastrophenfall?
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt bereits im Vorfeld vor extremen Wetterereignissen wie Starkregen, Stürme oder Flutwellen. Über die NINA Warn-App werden diese Meldungen an die Bevölkerung weitergeleitet. Herausgeber der App ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. KATWARN ist eine weitere Warn-App der öffentlichen Versicherer, entwickelt vom Fraunhofer-Institut. Warnungen geben beide Apps auch bei wetterunabhängigen Gefahrenlagen wie Bombenentschärfungen oder Großbränden ab. Das Problem an der Sache ist, dass nur wenige Menschen eine Warn-App auf ihrem Smartphone installiert haben. Bricht im Katastrophenfall außerdem das Stromnetz oder Funknetz zusammen, funktioniert ein elektronisches Warnsystem nicht mehr.
Warnungen erfolgen aktuell auch über das Internet, TV- und Radio-Sender oder per Lautsprecherdurchsage direkt im Gefahrengebiet. Die Erfahrungen des Hochwassers in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben jedoch Lücken im Warnsystem aufgezeigt. Aktuelle Überlegungen gehen in Richtung Wiedereinführung von Sirenen auf Hausdächern, die man aus Kostenersparnisgründen abgeschafft hatte. Ab dem Sommer 2022 soll in Deutschland „Cell Broadcasting“ einsatzbereit sein: Dann werden automatisierte Textnachrichten an alle eingeschalteten Handys innerhalb der Funkzelle eines Katastrophengebiets versandt.
Wer schon jetzt möglichst sicher gehen will, sollte eine Warn-App installieren. Diese enthalten viele hilfreiche Zusatzinformationen und Verhaltenstipps im Katastrophenfall.
Versicherungsschutz bei Naturkatastrophen
Die Wohngebäude- und Hausratversicherung bietet Schutz vor den finanziellen Folgen von Schäden durch Sturm, Hagel oder Blitzschlag. Die Ergänzung durch die Mitversicherung weiterer Elementarschäden ist unbedingt zu empfehlen.
In unseren Ratgeber finden Sie hier einen lesenswerten Beitrag zum Thema „Naturkatastrophen – welche Versicherung zahlt was?“ aus der Serie „Elementarschäden und Versicherungen“.