Wenn Wasser das Nachbargrundstück flutet
Ob Starkregen, Gewittergüsse oder Schmelzwasser – läuft Wasser vom eigenen Grundstück zum Nachbarn rüber, führt das nicht selten zu Nachbarschaftsstreitigkeiten. Worauf zu achten ist, wer haftet und wie man sich schützen kann, lesen Sie in diesem Ratgebertext.
Wenn jemand vom Regen in die Traufe gerät, hat er richtig Pech. Was das mit unserem Thema "Wasser auf Nachbars Grundstück" zu tun hat, erklären wir Ihnen hier. Soviel sei verraten: Traufwasser darf nicht zum Nachbarn geraten.
Entscheidend ist, woher das Wasser kommt
Als Grundstücksbesitzer hat man nach Gesetz dafür zu sorgen, dass kein Niederschlagswasser sowie Abwasser und andere Flüssigkeiten auf das Nachbargrundstück geleitet werden. Doch gerade nach Starkregenfällen, heftigen Gewittern oder durch Schmelzwasser können insbesondere auf niedriger gelegenen Nachbargrundstücken erhebliche Schäden durch abfließendes Wasser entstehen. Kann man sich gegen das Wasser vom Nachbargrundstück zur Wehr setzen bzw. muss man für den Schaden, den das Wasser vom eigenen Grundstück am Nachbargrundstück anrichtet, haften?
Die Antwort lautet wie so oft in Rechtsfragen: Jein! Regelungen finden sich hierzu insbesondere in den Nachbarrechtsgesetzen der Länder. Die Juristen differenzieren in diesem Zusammenhang zwischen sogenanntem Traufwasser einerseits und wild abfließendem Wasser andererseits.
Vom Regen in die Traufe
Fast jeder von uns hat diese Redewendung wohl schon mal gehört und weiß auch ungefähr, was sie bedeutet. Doch woher stammt sie und was ist überhaupt eine Traufe? Die Traufe ist der untere Abschluss eines Daches (im Vergleich zum First, dem oberen Abschluss des Daches). Wenn es regnet, kann das Wasser auf der gesamten Breite des Hauses über die Traufe abfließen. Heutzutage befindet sich unter der Traufe eine Dachrinne, damit das Wasser gesammelt und geordnet abläuft.
Wer sich früher vom Regen schützen wollte und unter ein Dach stellte, der bekam, wenn er Pech hatte, das komplette Regenwasser von der Traufe ab. Somit wurde er noch deutlich nässer als vom Regen. Er kam also vom Regen in die Traufe.
Wenn der Regen aufs Dach prasselt
Das Traufwasser ist also das Wasser, das als Niederschlagswasser auf ein Gebäude trifft. Es darf nach Bundesrecht nicht auf benachbarte Grundstücke ablaufen oder abgeleitet werden, sondern muss aufgefangen und auf dem eigenen Grundstück durch einen Kanalanschluss, Drainagen oder gegebenenfalls auch durch eine Sickergrube entsorgt werden. So besteht für bebaute Grundstücke auch fast immer ein Anschlusszwang an das Kanalisationssystem. In zahlreichen Nachbarrechts- und Wassergesetzen der Länder und auch in den Landesbauordnungen gibt es hierzu ergänzend einschlägige Vorschriften.
Will man Traufwasser über ein benachbartes Grundstück ableiten, muss dessen Eigentümer zustimmen, d. h. ein Traufrecht einräumen. Rechtssicher lässt sich dies beispielsweise mittels einer sogenannten Grunddienstbarkeit regeln, die in das Grundbuch eingetragen wird.
Wild abfließendes Wasser
Trifft der Niederschlag dagegen unmittelbar auf den Boden (und nicht auf ein Bauwerk), so spricht man von wild abfließendem Wasser. Es kann aber auch auf einem Grundstück entspringen oder sich dort natürlich ansammeln.
Das wild abfließende Wasser sollte nach Möglichkeit auf dem Grundstück versickern, darf nach den Vorschriften der Wasser- bzw. Nachbarrechtsgesetze der meisten Bundesländer aber auch auf das Grundstück des Nachbarn fließen. Der Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigte muss allerdings dafür Sorge tragen, dass der Abfluss des Wassers nicht – beispielsweise durch Aufschüttungen oder Pflasterung größerer Flächen – auf andere Grundstücke verändert oder verstärkt wird.
Im Gegensatz dazu kann der Besitzer des vom wild abfließenden Wasser betroffenen, meist niedriger gelegenen Grundstücks geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen. Dadurch darf es wiederum jedoch nicht zu Beeinträchtigungen des oberen Grundstücks oder der übrigen Nachbargrundstücke kommen.
Bauliche Maßnahmen
Gegen Hochwasser sind Haus- und Grundbesitzer machtlos. Doch die zunehmende Versiegelung durch Gebäude, Straßen und auch von Gärten – wie die vermeintlich pflegeleichten Stein- oder Schottergärten – sorgt dafür, dass Regenwasser, insbesondere nach kräftigen Niederschlägen, nicht mehr versickert. Rückstau und Überflutungen von Kellern, Garagen und Garten sind häufig die Folge. Wie Sie sich davor schützen können, lesen Sie in unserem Ratgebertext „Entwässerung von Haus und Grundstück – Darauf sollten Sie achten!“.
Gerade durch Bodenversiegelungen, durch Veränderungen der Grundstücksbeschaffenheit, der Dachentwässerung oder auch durch künstliche Bodenerhöhungen des Grundstücks kommt es aber auch immer häufiger zu einem verstärkten Abfluss von Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück.
Ein Beispiel: Ein Eigentümer baut auf seinem Grundstück mit gleicher Höhe zum Nachbargrundstück eine Terrasse, die nach Fertigstellung zum Nachbargrundstück um einen Meter erhöht ist. Läuft bei starken Regenfällen das Regenwasser von der Terrasse auf das Grundstück des Nachbarn und verursacht dort Abschwemmungen, kann der Nachbar geeignete Vorkehrungen verlangen, die derartige Abschwemmungen verhindern, beispielsweise eine Drainage, ein Fallrohr oder die Bepflanzung des Hangs. Wird das Nachbargrundstück durch die Bodenerhöhung insgesamt instabil, können auch Stützmauern, Pfähle und Ähnliches in Betracht kommen.
Ebenso wie von einer Bodenerhöhung kann auch von einer Bodenvertiefung eine Gefährdung für das Nachbargrundstück ausgehen, wenn beispielsweise durch das Ausheben einer Baugrube Erdreich auf das Nachbargrundstück geschwemmt wird.
Übrigens: Für die Herstellung von Bodenerhöhungen und -vertiefungen ist in vielen Kommunen eine baurechtliche Genehmigung erforderlich.
Wofür muss ich geradestehen …
Das Eindringen von Wasser gehört grundsätzlich zu den nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehrfähigen Immissionen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Beeinträchtigung nicht ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht. Eine Haftung kommt nach den meisten Nachbarrechtsgesetzen insbesondere dann zum Tragen, wenn aufgrund baulicher Veränderungen auf einem Grundstück mehr Wasser auf das Nachbargrundstück gelangt, als es ohne die Veränderung der Fall wäre.
Der Eigentümer eines Gebäudes ist also verpflichtet, dass das von diesem abfließende Niederschlagswasser sowie Abwasser, Gießwasser, Autowaschwasser oder andere Flüssigkeiten aus seinem Gebäude auf das eigene Grundstück so abzuleiten, dass der Nachbar nicht beeinträchtigt wird.
Nach der Rechtsprechung gilt diese Regelung für alle baulichen Anlagen, die ein natürliches Abfließen des Wassers erschweren oder verhindern. Damit hat ein Eigentümer, der durch Maßnahmen in die natürliche Abfluss- und Versickerungsmöglichkeit eingreift, für eine ordnungsgemäße Abflussmöglichkeit zu sorgen. Der Nachbarn muss also nur den natürlichen Ab- bzw. Durchfluss des Wassers hinnehmen!
… und wo habe ich einen Abwehranspruch?
Bevor sich der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstückes zu Wehr setzt, muss er sich folglich fragen, ob das Wasser, das vom Nachbarn auf sein Grundstück fließt, eine natürliche Ursache hat oder auf bauliche Veränderungen zurückzuführen ist. Ein Abwehranspruch scheidet aus, soweit das Wasser vom Nachbarn auch ohne die bauliche Veränderung aufgrund des natürlichen Gefälles auf das eigene Grundstück gelangt wäre.
Sind dagegen bauliche Maßnahmen die Ursache für den Wassereintritt auf das Nachbargrundstück, also Erhöhungen, Vertiefungen oder verhindert eine Bodenversiegelung die Regenwasserversickerung, so hat der „Wasser-Geschädigte“ einen Abwehranspruch.
Wie kann ich mich absichern?
Kommt jemand durch eine Immobilie oder ein Grundstück zu Schaden, haftet der Eigentümer dieses bebauten oder unbebauten Grundstücks. Hier schützt die Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung vor Schadenersatzansprüchen Dritter – unabhängig davon, ob sie berechtigt sind oder nicht. Sie ist ein absolutes “Muss” für jeden Haus- und Grundeigentümer – insbesondere aber für Vermieter und Eigentümergemeinschaften.
Die Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht kann also auch zum Tragen kommen, wenn Wasser vom eigenen auf das Nachbargrundstück fließt. Denn grundsätzlich fallen Schadenersatzansprüche, die aus dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den Versicherungsnehmer gestellt werden, unter diesen Versicherungsschutz. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es auch in jedem dieser Fälle zu einer Zahlung des Schadens kommt.
Denn zum Leistungsumfang in der Haftpflichtversicherung gehört auch der passive Rechtsschutz, das heißt die Abwehr unberechtigter Ansprüche. Wird zum Beispiel aufgrund von Naturgewalten ein Grundstück überflutet und läuft das Wasser von dort auf das Grundstück des Nachbarn – ohne das bauliche Veränderungen hierfür ein Grund sind, dann würde in diesem Fall keine Haftung für den Schaden am Nachbargrundstück bestehen. Macht der betroffene Nachbar dennoch Schadenersatzansprüche gegen den Grundstücksbesitzer geltend, dann würde die Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung die Ansprüche im Namen des Versicherungsnehmers abwehren und ihm so passiven Rechtsschutz gewähren.
Anders sieht es dagegen aus, wenn bei dem Grundstücksbesitzer eine Wasserzuleitung bricht und das austretende Wasser auf das Nachbargrundstück läuft und dort einen Schaden verursacht. Dann haftet der Besitzer des Grundstücks, auf dem die Wasserleitung gebrochen ist. Seine Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung übernähme den Schaden.